Alle Artikel mit dem Schlagwort: Textschnipsel

Garten der Wünsche

? Textschnipsel Nummer 3 ? »Ach du heiliger Hollerbusch«, sagte sie leise und stellte den Eimer neben sich auf den Boden. Die Pfingstrosen hatten schon immer dort gestanden. Und eigentlich waren sie eine kleine Sensation. Das ganze Dorf kam im Frühjahr her gepilgert, um die prallen, mehrfach gefüllten Blütenköpfe in leuchtendem Weiß, Lila und Pink auf den dunkelgrünen aufrechten Stängeln zu bewundern. Dieses Jahr wäre es allerdings schon vermessen gewesen, sie nur als schwächlich zu bezeichnen. Mickrig traf es besser. Offenbar nur lustlos hatten sich ein paar schrumpelige und blasse Blütenblätter um das gelbe Innere versammelt, als wären sie ihrer Aufgabe, bestaunt zu werden, einfach überdrüssig geworden. Einen Moment lang starrte Klara unschlüssig auf das Desaster, dann nahm sie kurzerhand die Schere und schnitt einen Blütenkopf nach dem nächsten ab, die nun mit einem zarten Rascheln zu Boden fielen. So leise, dass es fast nicht zu hören war.  Als sie fertig war, hörte sie ihr eigenes Herz hektisch schlagen. »Es wird sich alles fügen«, murmelte sie leise und betrachtete ihre bloßen Füße, der rote Nagellack …

Garten der Wünsche

? Textschnipsel Nummer 2 ? Abrupt stand sie auf und vertrieb das plötzliche Frösteln, indem sie sich die Strickjacke enger um den Körper zog.  Bäume verloren Blätter in der Regel im Herbst. Doch dieser Finkenwerder Herbstprinz tat das eben nicht. Für gewöhnlich. Sie kannte ihn und seine Gewohnheiten nach der langen, gemeinsamen Zeit sehr gut. Er wurde oft schon im Februar grün, im März war er voll belaubt und es zeigten sich die ersten kleinen Äpfel, die zwischen Juni und November reif wurden. Dazwischen blühte er immer wieder, und ständig hatte er neue Früchte. Über Wochen. Alles kein normales Verhalten für einen Apfelbaum. Deswegen war der Verlust eines Blattes ungewöhnlich. Nicht gleich besorgniserregend, aber doch seltsam.  Und wenn Klara Gorse sich etwas nicht erklären konnte, oder wenn sie besorgt war, steckte sie ihre Hände in die Erde, schnitt etwas zurück oder zog wilde Beikräuter aus den Beeten. Hier gab es schließlich immer etwas zu tun. Es war ein ewiger Kreislauf, und jeder Halm wurde genutzt. Wenn man das Kraut essen konnte, kam es auf den …

Garten der Wünsche

?Textschnipsel Nummer 1? Am 13. Mai erscheint endlich der Garten der Wünsche. Um die Wartezeit zu verkürzen, poste ich hier in den kommenden Tagen ein paar Auszüge aus dem 1. Kapitel. Ein erster, vorwitziger Sonnstrahl traf Klara Gorse an der Nasenspitze. Es war früh am Morgen. Die Welt in Lindebühl schlief noch, und sie verharrte für einen kleinen Moment auf der großzügigen Veranda der alten Pension, während die aufgehende Sonne kleine goldene Streifen in die Sträucher und Bäume des altehrwürdigen Gartens malte. Dreißig Jahre war sie jetzt hier. Gekommen war sie als junges Mädchen voller Tatendrang, das Herz offen und weit, voller Freude auf die Abenteuer des Lebens. Sie, die Süddeutsche, die Zugezogene, hatte in diesen dreißig Jahren ihren festen Platz in einer Gemeinschaft eingenommen, die ihr damals so fremdartig vorgekommen war. Das Leben in Lindenbühl war voller Geheimnisse. Es hatte einige Zeit gedauert, bis man sie in alles eingeweiht hatte, was sie hatte wissen müssen, und doch schien sie immer noch jeden Tag Neues zu lernen. Klara schloss für einen Moment die Augen und …

Reinschmöker Posting Kapitel 1

Kapitel 1 ❤ Dieser Mai hat es in sich. Es ist unfassbar heiß. Matt bleibe ich im Flur unserer kleinen Wohnung stehen und atme tief durch. Es fühlt sich ein wenig an, als würde ich versuchen durch glühend heiße Watte zu atmen. „Wam“, murmelt meine Tochter Hanna in meine Halsbeuge, und ich lasse sie auf den alten Linoleumboden herunter. Mein Großer ist schon losgezogen, um alle Fenster aufzureißen. Lukas ist neun, und mich beschleicht immer häufiger die Vermutung, dass er der einzige mit einer praktischen Veranlagung in unserer kleinen Familie ist. Das hat er von seinem Vater. „Was gibt es zu essen?“ Seine dunklen Haare sind vollkommen verschwitzt, und eine Welle der Zuneigung erfasst mich. „Pizza“, sage ich kurzentschlossen und bringe damit meine Kinder schlagartig an den Rand eines Glückstaumels. Lukas klatscht in die Hände, und Hanna schüttelt ihre Locken. Wir lieben Pizza. Alle. Und dann leider auch noch diese mit chemischen Zusätzen vollgestopfte Tiefkühlpizza. Deswegen bemühe ich mich regelmäßig um eine ausgewogene, nährstoffreiche und biologisch wertvolle Ernährung, damit ich Tage wie diese vor meinem …